Grauer Kater

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die graue Katze hatte sich schon unter einem Zaun durchgequetscht und war lange hinter den Hecken verschwunden, als der Schatten es von den Augenwinkeln in mein Gehirn geschafft hatte.

 

Als ich in der Bar ankomme und mich umschaue, ist Sylvie schon hinter der Säule Richtung Toiletten verschwunden, bis mein Hirn registriert, dass sie es ist, die sich da diesem bärtigen Muskelprotz an den Hals wirft. Sicher - ich hatte gesagt, dass ich heute nicht ins Max kommen kann. Doch ich war schneller fertig und habe mich umentschieden.

 

Soll ich ihr folgen? Eine schwere Entscheidung! Ich weiß, dass sie es überhaupt nicht leiden kann, wenn man um sie herumschwänzelt. Wenn sie sich eingeengt fühlt, wird sie ziemlich kratzbürstig. Doch irgendwie juckt es mich doch in der Schwanzspitze.

 

Da hinten beginnt das Revier des Neuen. Wenn der mich dort erwischt, muss ich entweder schnell flüchten oder kämpfen.

 

Sieht so aus, als ob er der neue Securitytyp ist.

 

Meine Krallen sind zwar scharf und flink, aber so wie der aussieht, komme ich bei einer Auseinandersetzung nicht ohne schwere Blessuren weg.

 

Besser, ich tue so, als hätte ich nichts bemerkt. Das fällt mir aber gar nicht leicht. Wenn sie mich bemerkt hat, will sie vielleicht, dass ich um sie kämpfe. Ich traue ihr sogar zu, extra gewartet zu haben, bis ich zuschaue. Dann würde nicht nur ich mich einen Feigling schimpfen, wenn ich nichts täte. Was schon für sich alleine ein Scheißgefühl ist. Dazu kommt, dass ich mich unweigerlich wie mit Frauenaugen sehe und genau weiß, für wen ich mich als Weibchen entscheiden würde.

Eifersucht! Minderwertigkeitskomplexe!

Gleichzeitig die Nackenhaare sträuben und den Schwanz einklemmen - eine widerliche Mischung!

 

Dreckstück! Als ob es nicht schon schwer genug ist, ihre Alltagslaunen auszuhalten.

 

Oh, da kommt sie wieder!

Aufrichten. Entspannen. Lächeln.

Sie streicht um meine Beine, schnurrt und beißt mir zärtlich in den Hals.

Verdammtes Miststück! Sie weiß genau, wie sie es machen muss.

 

¨ Schaaaatzilein, das da vorn ist der Kai. Der neue Freund von Anna. Der hilft uns am Wochenende mit der Weihnachtsbeleuchtung. Er ist Elektriker und übrigens ein Fan von Dir. Hat alle deine Veröffentlichungen gelesen. Ein helles Köpfchen. Aber traut sich nicht zu studieren, weil er glaubt, nicht intelligent genug zu sein. Dass ihr armen Mannsbilder aber auch immer eure Minderwertigkeitskomplexe pflegen müsst!¨

 

Auf dem Heimweg ist da wieder ein Schatten. Sylvie schmiegt sich an mich und zeigt auf die zwei Katzen, die gerade die Straße überquert haben. Sie springen auf die Gartenmauer, schmiegen sich aneinander. Beide schauen von dort auf uns herunter. Mir scheint, als ob eine der Beiden mir zublinzelt. Zumindest zuckt ihre Schwanzspitze verdächtig. Meine auch.

Ein Lächeln stiehlt sich in mein Gesicht und gleichzeitig läuft mir eine Gänsehaut über den Rücken.

 

Miau - meine Katze ist auch in der Nacht nicht grau!