Elfmeterschütze

Ich bin, was die Liebe angeht, kein besonders guter Elfmeterschütze. Ich schaffe es, selbst direkt auf der Linie den Ball übers Tor oder knapp danebenzuschießen. Die Torhüterin musste sich bei mir den Ball meist selbst vom Punkt holen und ins Tor tragen. Als ich das das erste Mal so richtig realisieren musste, wurde ich (zum Glück nur innerlich) vor Scham purpurrot. Das legte sich aber im Laufe der Jahre bei all den passiven Eroberungen. Der Vorteil diese Strategie war, dass ich mich schuldfrei zurückziehen konnte, sollte mir nach dem ersten lasziven Angriff der Ballträgerinnen statt der Lust auf eine aktive Fortsetzung der Impuls zum sofortigen Rückzug kommen.

Sozuschreiben hatte ich mir mit der scheinbaren Schüchternheit und Zurückhaltung mein Liebesleben doch irgendwie gefickt eingeschädelt!

Der ein oder andere Sturm der Liebe verwandelte sich mit den Jahren dann doch in einen verheerenden Hagelsturm. Aber auch da schaffte ich es, mein Herz mittels eines intelLecktuellen und emotionAalen Regenschirms aus Offenheit und Verständnis vor allzu schweren Volltreffern zu schützen.

Es machte mich trotzdem immer mal wieder melancholisch. Deshalb versuchte ich, es zu korrigieren. Ich übte den Torschuss, traf immer öfter rechts wie links und voll in die Mitte. Doch die so eroberten Torhüterinnen, warfen den Ball schneller wieder hinaus, wie ich ihn geschossen hatte. Diese Pyrrhussiege irritierten mich noch mehr als die ausbleibenden Erfolgserlebnisse zuvor.

Heute habe ich erkannt, dass es keine Schüchternheit ist, die mich so handeln ließ. Es war auch nicht wirklich die vermutete Schuldvermeidung. Ich war und bin einfach scheu. Und mittlerweile bin ich auch sehr dankbar für diese Charaktereigenschaft.

Denn mein anderer dominanter Wesenszug, die Loyalität, hätte mir sonst ein Leben mit Halbzeiten und Verlängerungen voller Fouls, roter Karten und aberkannter Tore beschert. So bin ich wirklich um jedes verschossene Tor und um jedes Abseits dankbar. Es hat mich vor mehr als nur Wadenkrämpfen und schlimmeren Niederlagen bewahrt. Ich spiele immer noch gerne, doch nur wenn alle dabei gewinnen!

Heute verzichte ich auf Elfmeter und sehe mich eher als schwer zu öffnende, lecker geröstete Pistazie. Vielleicht bin ich dann eine Nuss unter vielen. Doch mich bekommt nur, wer sich etwas Mühe gibt. Das Gefühl ist intensiver und nachhaltiger als so ein kurzer Torrausch nach dem Treffer. Auch wenn das lustvolle Gefressenwerden ehrlicherweise auch nicht viel länger geht.

Okay - vielleicht sollte ich mir das mit der schwer zu knackenden Nuss nochmal überlegen. Als Kokosnuss dauerte der Genuss zwar schon etwas länger, doch auf Bohrer, Hammerschläge und Säge verzichte ich gerne.

Wohlgemeinte Tipps für stimmige Metaphern werden gerne entgegengenommen!