liebeswarten
als der alte märchenerzähler mit seiner geschichte über die liebe eines königs zu seiner küchenmagd geendet hatte, leerte sich sein zelt langsam und lächelnde gesichter und strahlende augen beim hinausgehen waren sein schönster lohn.
ganz leerte es sich jedoch nicht, sass doch ein mann mittleren alters in sich zusammen gesunken auf der anderen seite des feuers.
nur ein seufzen ab und an zeigte, dass noch etwas in ihm lebte.
da der weise alte aus erfahrung wusste, dass seine geschichten oft auch die menschen in der tiefe berührten und uralte wunden öffneten,blieb er entgegen seiner gewohnheit, nach seiner arbeit erst einmal einen spaziergang in die klarheit der nacht unter seinen freunden den sternen zu machen, ruhig an seinem platz sitzen und sprach nach einer weile des gemeinsamen schweigens den so bedrückt wirkenden sanft an.
"was bewegt dich, mein sohn?" fragte er nachdem er den hunger des feuers mit ein paar scheiten gestillt hatte, sein gegenüber.
dieser hob seinen kopf und nach einem dankbaren kurzen lächeln floss eine einsame träne aus seinen zutiefst traurigen augen und ein lautes seufzen drang aus seiner brust.
dann, als hätte er schon lange auf diesen moment gewartet, ging ein ruck durch seinen körper und er richtete sich auf. er nahm ein paar tiefe atemzüge, erwiderte den wachen blick des alten und begann zu sprechen.
in bewegten worten sprach er von seiner jugend, seinen vielen talenten, der liebe seiner eltern, die solange seine mutter noch lebte, nie nachliess und alle in erstaunen versetzte. davon wie sich sein vater an den wein verlor, als sie beim grossen erdbeben in einer spalte verschwand und wie er, als er das elend nicht mehr mit ansehen wollte, seine heimat verliess und es hier rasch zu einem angesehenen recht vermögenden kaufmann gebracht hatte. obwohl er auch verheitatet gewesen war und sich, bis seine frau bei der geburt seines 3.kindes gestorben war, immer bemüht hatte ein guter ehemann zu sein, hatte er sich trotzdem immer ganz tief drinnen einsam gefühlt und eigentlich immer gewusst, dass es irgendwo da draussen das wesen, die frau geben musste, die ganz zu ihm passte, die er so lieben könnte, wie sein vater einst seine mutter.
Anfangs hatte er sich nach dem trauerjahr nach ihr umgesehen, hatte weite reisen unternommen, nachdem seine kinder alle aus dem hause waren, hatte manche faszinierende frau kennengelernt und doch nie dieses erkennen, diese tiefe verbundenheit gefunden, die er als kind bei seinen eltern in jeder geste, jedem blick miterleben durfte. und irgendwann hatte er aufgegeben, war zrückgekehrt und hatte fortan sein leben als pflicht weitergelebt. sich anfangs in immer neue aufgaben gestürzt, viele risiken eingegangen und so ein grossteil seines vermögens und ansehens eingebüsst. und wenn er kurze momente ehrlich zu sich sein konnte, sich dieser sinnlosigkeit bewusst wurde, die ihn tagein tagaus, des abends, wenn er sich schlafen legte, selbst wenn die sonne aufging und er sich aus dem bett quälte, nicht verlies. irgendwann war ihm alles egal. nur die gewohnheit und sein stand zwangen ihn noch ein mindestmass an körperpflege, die aufnahme von nahrung, das erledigen seiner beruflichen pflichten einzuhalten. eigentlich war er nur noch ein erbärmlicher schatten seiner selbst.
nur heute abend bei der erzählung des alten hatte er sich schmerzhaft erinnert, mit wieviel schwung, wieviel lust und neugier er einmal das leben genossen hatte.
hier schaute er auf und verstummte. begann langsam wieder in sich zusammen zu sinken.
der alte schaute ihn fest in die augen.
"wenn sie dich gefunden hätte, bin ich sicher, wäre ihr wohl bei dir der himmel auf erden sicher gewesen."
an den plötzlich wieder leuchtenden augen seines gegenübers sah er sich bestätigt.
"oh ja, den himmel auf erden, auf rosen hätte ich sie gebettet. jeden tag zu einem neuen, noch schöneren fest des lebens und der liebe versüsst."
der alte nickte: *damit du siehst, dass ich dir nur zu gut folgen kann "auch ihm hing jetzt eine kleine, im licht der flammen glitzernde träne im augenwinkel, "will ich dir etwas aus meiner eigenen jugend erzählen. " hier verstummte er, wischte sich die träne mit dem ärmel seines gewandes weg und schien mit den augen weit in die vergangenheit zu schauen. dann lächelte er wieder und begann:
„auch ich war einmal ein junger mann mit vielen talenten, meine elltern schienen mir wahrlich nicht so glücklich zu sein, wie du es mir von deinen eltern berichtet hast, sie stritten sich des öfteren aber ihr geschrei weckte auch in mir die abneigung gegen flache aus der not der einsamkeit geborene verbindungen, deren kleiner rest an lieben gefühlen und respekt vor dem partner in den unerbittlichen wogen des alltags untergehen. doch erwuchs daraus eine tiefe sehnsucht nach dem wesen , das gemeinsam mit mir den unbändigen willen hatte, der welt zu beweisen, dass leben
mehr ist als mühsal und verzicht, stilles leiden und aufrichten an der pflicht. und eines tages, auch ich traute mich fast nicht mehr zu hoffen, sah ich sie. das heisst eigentlich trafen sich unsere augen und wollten sich nicht mehr loslassen. welten taten sich mir auf und jeder wimpernschlag zeigte mir neue noch schönere. und bevor ich michs versah, ich half gerade einem schmied beim beschlagen eines wertvollen, preisgekrönten pferdes unseres sultans und hielt seinen hinterlauf. liess mich ein scharfer ausruf meines meisters zusammenzucken. denn, wie du weisst, erfordert diese arbeit ständige aufmerksamkeit. und als ich wieder aufsah, war sie verschwunden. ich efuhr später noch beim stoffhändler nebenan, dass elisa , so hiess mein traum, sich dort nach mir erkundigt hatte und tochter eines beduinenscheichs war, der gerade mit seiner karawane weiterzog. und am selben morgen sind 5 karawanen in allle himmelsrichtungen losgezogen.
niemand konnte mir sagen mit welcher der karawanen meine schöne weitergezogen war. was solllte ich tun? ich verabschiedete mich von meinem meister und folgte einer der karawanen um sie wiederzufinden. seither bin ich unterwegs. irgendwann diente ich einem märchenerzähler, der mit mir überall im land umherzog, immer in der hoffnung sie zu finden. als er älter und müde wurde durfte ich immer öfter seinen platz einnehmen. das fiel mir nicht schwer, denn ich hatte seine geschichten ja schon tausende von malen gehört. und nach seinem tod zog ich einfach an seiner statt durch die lande. bis heute.
"habt ihr sie niemals wiedergesehen ?“ mit grossen augen sah ihm sein gegenüber ängstlich fragend an.
der alte lächelte und es schien, als ob für einen moment in eine andere welt eintauchte. "doch!" fast unmerklich lief ein schauer durch seinen ganzen körper. welten trafen,
vermischten sich und trieben wieder auseinander. in ein unendliches universum. voller gefühle. dann klärte sich sein blick, er richtete sich auf und fuhr fort.doch -letzte woche, genau an der stelle an der du jetzt sitzt. da ich mich vor dem erzählen zurückziehe, um mich zu sammeln, sah ich sie erst, als ich das märchen, übrigens ironischerweise das selbe, in das ich euch heute entführt habe, schon begonnen hatte und, wie immer, die gespannten gesichter meiner zuhörer studiere, um mit den formulierungen und bildern der geschichte genau ihre seele, ihre sehnsüchte und ängste, ihre vergangenheit und zukunft zu treffen. nun traf es mich. ich weiss nicht, ob es jemand anderes bemerkte, denn meine jahrelange routine liess mich trotz dem tumult, der nun in meinem inneren tobte, die geschichte weitererzählen. "er atmete nun schwer, doch ein leuchten wuchs in seinen augen. seine finger entspannten sich wieder. lächelnd fuhr er fort: "wir erkannten uns augenblicklich. es war als ob blitze mich durchzuckten. nie habe ich mich selbst so deutlich gespürt. dann stand die welt still. die ewigkeit
breitete sich in uns aus. wie bei unserem ersten zusammentreffen. irgendwann senkte sich lächeln ihr blick und sie stellte mir so, stumm und den blick voller liebe ihre, so denke ich, enkelkinder vor. vier mädchen und drei jungs, die mir, mit vor vorfreude und neugier weit geöffneten augen und mündern gegenüber sassen, geborgen in ihrem schoss und armen, ihren weiten gewändern . und statt trauer fühlte ich glück. nie habe ich mich glücklicher gefühlt, wie in diesen stunden. wie du sicher ahnst und verstehen kannst, wurde an diesem abend das märchen etwas länger als sonst. ich hätte es wohl noch unendlich ausdehnen mögen. doch an den kindern, sie sind mir seit jeher die besten ratgeber, was echtheit und
länge einer geschicht angeht, bemerkte ich rechtzeitig, obwohl, wie ich eingestehe widerwillig, dass meine
erzählung ihr ende finden musste. und ehe ich michs versah, als alle verabschiedet, alle nachrichten von verwandten und freunden weitergegeben waren, denn du weisst wohl,
dass auch das die ehrenvolle aufgabe eines märchenerzählers ist, der ja weit im lande rum kommt, nun, da war auch sie wieder verschwunden . aus meinem zelt. nicht aus meinem leben. denn, obwohl ich sie wohl lang zeit nicht wiedersehen werde und die sehnsüchte des jungen mannes in mir in diesem leben wohl nicht mehr erfüllt werden ,trage ich sie in mir. und ihr lächeln wird mich den rest meines lebens und überall hinbegleiten. selbst auf meine letzte reise." stille kehrte ein. nur das glimmen des fast abgebrannten feuers unterstrich das leuchten aus den augen des alten, der nun wieder etwas holz nachlegte und seinem gast wieder aufmerksamkeit schenkte.
wenn du sie finden würdest, sagtest du ,würdest du ihr den himmel auf erden schenken. sie zur göttin deines universums machen?" der jüngere nickte zögernd mit dem kopf. "dann müsste sie wohl dort einen gott
vorfinden." erstaunt hob der junge seinen kopf. "und so göttlich scheinst du dich in letzter zeit nicht zu fühlen"
fuhr er mit bedauern in der stimme aber listig funkelnden augen fort. der andere nickte gedankenversunken. "ich glaube, da wartet noch etwas arbeit auf dich. oder wolltest du, wann auch immer sie in dein leben tritt, sie so begrüssen?"
fast unmerklich schüttelte der andere den kopf.
dann erhob er sich, dankte kurz dem alten, allem anschein nach immer noch tief bewegt und betroffen und verschwand in der nacht.
das einzige, was noch zu erzählen wäre,i st, dass am nächsten morgen ein schneider, von ihm mit dankbaren grüssen geschickt, das alte, schon etwas zerschlissene zelt des märchenerzählers kunstvoll ausbesserte und dessen kamel mit einem neuen kostbaren und für die knochen des alten zuträglichen, weit bequemeren sattel ausstattete. ob der andere je seine grosse liebe gefunden hat oder sie ihn, entzieht sich leider meinem wissen.
inschallah.